Open-Air-Musiktheater als Genuss: Schubert am Dellplatz mit 200 Aktiven

Akzente Chor

 „Akzente“-Projektchor interpretierte Franz Schubert auf Einladung der Deutschen Oper am Rhein neu – zusammen mit Solisten, Schulen, einem Tänzer der Oper  und Chören.

„Tonio Geugelin wollte von uns als Coach und Motivator für den Abend am Dellplatz mehr als eine Schubert-Kopie.“ Das sagt Ingbert Dortelmann über besondere Erlebnisse des Akzente-Projektchores im Musikkolleg am Duisburger Szene- und Kulturplatz. Für ihren März-Auftritt hatten die fast dreißig Sänger/-innen des Projektchores über sechs Wochen Songs nach Schubert gesungen und neu erarbeitet. Zwei davon waren selbst getextet und im Team mit Geugelin, dem Hamburger Geigenkünstler und Beatboxer, komponiert. Die Hambornerinnen interpretierten „Greiser Kopf“ aus Schuberts Winterreise von 1827 frei als eine von zehn Musikkunst-Gruppen und gemeinsam mit Opernkünstlern. Für die Zeit anno 2024 getextet trugen die Sänger zudem das Lied „Im Dorfe“ des Romantikers neu vertont und selbst gedichtet vor. Das Original dreht sich um befreiende Träume von Menschen zur Nacht, aber auch einen Geplagten: Er wird am Schlaf von Hunden und rasselnden Ketten gehindert. „Ich werd wach“, rappten die Singenden, „schau auf die Uhr, geschlafen nur drei Stunden…“ Das kam rhythmisch auch mit gepressten Mundlauten, Schrittfolgen und dumpfen Tritt-Klängen sowie Schubert´schen Moll-Akkorden daher. Weiter intonierten sie ihren Lied Refrain „Millionen Träume“ melodisch und untermalt mit Dur-Akkorden im Kontrast zu den gerappten Strophen.

 

Ev. Posaunenchor

Schubert, original oder neu arrangiert und komponiert, boten zwei Stunden lang die insgesamt 200 Beteiligten aus dem einem Dutzend Gruppen und Solokünstlern am Platz. Mit Posthorn-Spiel aus offenen Fenstern umliegender Häuser hatten Theresa von Halle und Elise Schobeß als Inszenierende sogar Anwohner/-innen mit ins Erlebnis der Duisburger Winterreise-Version einbezogen.
Mitwirkende waren auch der Kinderchor der Deutschen Oper am Rhein, ihr Bariton Richard Sveda und der Tänzer Yoav Bosidan. Für Vielfalt, Musikgenuss und Bewegung sorgten auch Gymnasiast/-innen aus dem nahen ,,Hildegardis“, die vierten Klassen der Grundschule Klosterstraße, „Evangelische Posaunenchöre Duisburg“ sowie die Internationale Kinder- und Jugendbühne Bahtalo oder etwa der „Statt-Chor“. Mitten aus dem Publikum erklang das Sopran-Saxophon, geblasen von Dr. Matthias Keidel.

Dellplatz Szenerie

Beachtlich: Die Oper schaffte es – am Platz rund um ihr UFO-Zelt und begehbare Lichtkugeln – auch gerade nicht aktive Gruppen auf dem Weg zum Auftritt mit in die Bilder der stimmigen und kunstvollen Choreographie hineinzunehmen. Die später aktiven Interpreten fügten sich so früh nahtlos in das nächtliche Gesamtbild der szenischen Aufführung ein. Über dieses perfekte Bild freuten sich Hörende und Zuschauer/-innen. Selbst trugen auch die Gäste am Dellplatz singend mit Schuberts „Lindenbaum – am Brunnen vor dem Thore“ zum faszinierenden Musikabend bei.

Dellplatz Szenerie

In beginnend dunkler Nacht stand die Musiktheater-Präsentation dabei für ein Projekt der Düsseldorfer und Duisburger Oper am Rhein. Mit ihrer mobilen Spielstätte „UFO-Zelt“ ermöglicht die Oper seit wenigen Jahren Singenden und Musikern Auftritte für ihre Stadtteile und direkt in diesen Bezirken. Teilnehmende aus dem Projektchor „Akzente“ empfanden das Zusammenwirken so vieler Duisburger Musizierender begeisternd und als eine völlig neue Art, Musik erleben und gestalten zu können. Eine Sängerin fasste zusammen: „In acht wöchentlich stattfindenden Proben haben wir mit professioneller Anleitung unsere Musik und die Texte entwickelt. Beim Konzert konnten wir nach zwei Bühnen- und einer Generalprobe dann die Power so vieler ehrenamtlicher Interpreten und Sänger/-innen am Platz erfahren.“ Dieses Erlebnis wird sie nicht vergessen.

Ihr Kollege Ingo Dortelmann erntete als Rezitator einer Dichtung aus den Projektchor-Workshops großen Applaus. Annette Koch von „Akzente“ hatte in selbstgeschriebenen Text zu ,,Greiser Kopf” die menschliche Anerkennung eines Opas für seinen kleinen Enkel zum Ausdruck gebracht. Jahre später hatte der Opa – beginnend dement – selbst Ermutigung nötig. Viele Zuhörer kannten dieses Wechselspiel menschlicher Kräfte und applaudierten begeistert. Auch zum Schluss hielt der Enkel fest zum Greis, seinem Opa: „Mach du mal, du schaffst das noch. Mach du mal, ich helfe dir wirklich gern.“ uw